Theorie des Tages

Monat: Juni, 2012

The importance of being earnest – Samstag, 30. Juni 2012

Eigentlich behaupte ich ja immer noch, Deutschland sei Europameister, weswegen ich mich mit der Halbfinalniederlage am Donnerstag nicht weiter auseinandersetzen muss. Es stimmt ja auch; die deutsche Damenmannschaft hat sich im Finale der U-17 Europameisterschaft im Elfmeterschießen gegen die Französinnen durchgesetzt und damit sind wir Europameister. Da aber der Rest des Landes dies nicht zur Kenntnis genommen zu haben scheint, werde ich mich wohl doch mit dem Thema auseinandersetzen müssen.

Also schön: Warum jetzt eigentlich der große Katzenjammer und die viele Kritik? Was kann man Jogi Löw denn bitte vorwerfen? Dass es leider nicht nur eine richtig gute Mannschaft in Europa gibt?

Höchstwahrscheinlich gibt es so einige Menschen, die genug über Fußball wissen, um fundierte Kritik an Löw üben zu können. Ich zähle mich nicht zu ihnen. Ich verstehe mehr von Psychologie als von Fußball, und ich glaube, ausnahmsweise mal ganz ernsthaft, dass hinter der allgemeinen, bzw. in den Medien verbreiteten schlechten Laune ein riesiger Mentalitätsfehler steckt, gepaart mit Unwissen.

Wie Jürgen Klinsmann dankenswerterweise bereits gesagt hat, gibt es beim Fußball keine Garantie, zu gewinnen. Wer das will, der soll sich kitschige Hollywood-Baseballdramen anschauen. Da gewinnt schon am Ende das Team, dessen Fan der Zuschauer aufgrund der Erzählperspektive ist, auch wenn es zwischendrin ein paar Mal bittere Niederlagen einstecken muss.

Vielleicht sind wenige Menschen so naiv, dass sie glauben, wir müssten aber doch gewinnen, weil das ja sonst kein Happy End ist, und auf ein Happy End haben wir ja gesetzlichen Anspruch. Was uns allerdings trotzdem fehlt, ist eine Fankultur, in der Niederlagen eingeplant sind.

Wir* sind sozusagen ein Schönwetterpublikum. Solange alles gut läuft, machen wir Party. Wir gröhlen „Steht auf, wenn ihr Deutsche seid“, obwohl wir vor dem Anpfiff die Nationalhymne nur unter größeren Fremdschämattacken mitgesummt haben. In der Halbzeitpause läuft beim Public Viewing „Country Roads“, die unvermeidbare Laola rollt durch die Menge, es fließt das Bier.

Und wenn wir zur Pause 2:0 zurückliegen?

Dann läuft auch „Country Roads“.

Wir sind ja nicht einmal musikalisch auf Niederlagen eingestellt!!!

Die Masse der deutschen Zuschauer wird nicht durch die Solidarität mit dem Team zusammengehalten, sondern durch die Hoffnung auf, vielleicht sogar die Erwartung des Sieges. Bleibt dieser aus, fällt die Menge auseinander; plötzlich rempeln Leute, die vor 90 Minuten noch ein Kollektiv waren einander an, motzen, wenn jemand im Weg steht, oder rasen lebensgefährlich mit dem Fahrrad durch die Masse. Im Angesicht der Niederlage ist plötzlich jeder wieder ein Einzelner, eine Insel.

Dass das nicht so sein muss; dass Niederlagen sogar die Solidarität und das Gemeinschaftsgefühl stärken können, habe ich in der letzten Saison des FC Liverpool sogar öfter erfahren dürfen/müssen, als mir wirklich lieb ist. Und dementsprechend war für mich der bisher bewegendste Moment dieser Europameisterschaft nicht unser Sieg gegen Portugal, Holland, Dänemark oder Griechenland – sondern das Ausscheiden Irlands, als die irischen Fans für ihr Team, das gegen Ende 4:0 zurücklag, geschlagene zehn Minuten lang Fields of Athenry sangen, mit Tränen in den Augen.

Wir scheinen für solche Anlässe noch nicht einmal ein Lied zu haben; abgesehen davon, dass ein Großteil der deutschen Fans das Public Viewing bei einem 4:0 Rückstand wahrscheinlich bereits vor Ende der 80. Minute verlassen hätte. Bei dieser Mentalität ist es kein Wunder, dass wir mit dem erneuten Scheitern nicht so recht umgehen können, nach Sündenböcken suchen und ausgewählte Exemplare der menschlichen Gattung mir bereits erklärten, das deutsche Team sei wohl überbewertet worden. Als jemand, der seit September 2010 sämtliche Qualifikationsspiele verfolgt hat, finde ich das einigermaßen lachhaft.

Und jetzt zu dem anderen Grund, der meiner Meinung nach für den schwachen Umgang mit der Niederlage verantwortlich ist: Unkenntnis. Bei Fußball kann zwar prinzipiell jeder mitreden, aber man sollte die Komplexität des Themas nicht unterschätzen. Ich erinnere mich gut, wie sich bei der WM 2010 alle vor Argentinien einen eingeschissen haben. Dann haben wir Argentinien 4:0 geschlagen, und wir glaubten, dass uns jetzt niemand mehr aufhalten kann, woraufhin uns Spanien im nächsten Spiel prompt das Gegenteil bewies.

Warum hatten wir solche Angst vor Argentinien? Unter anderem wegen Messi, dem Topspieler des Topvereins FC Barcelona. Und was passierte? Er war vollkommen unsichtbar. Und das scheint nicht die Ausnahme zu sein, sondern die Regel. Bei der Copa America 2011 etwa schaffte Gastgeber Argentinien es mit Hängen, Würgen und zwei Unentschieden gerade so durch die Gruppenphase, nur um dann gegen den späteren Sieger Uruguay im Elfmeterschießen auszuscheiden.  Zauberei? Bestechung?

Möglich; viel wahrscheinlicher ist es aber, dass Messi mit dem System des FC Barcelona einfach erheblich besser zurechtkommt. Und nach diesem System spielt auch – katsching! – Welt- und Europameister Spanien. Der Topspieler Uruguays und bester Spieler der Copa America, Luis Suarez, hat letzte Saison mit dem FC Liverpool übrigens nur den achten Tabellenplatz erreicht.

Wenn wir also gegen Argentinien gewinnen, dann heißt das nicht, dass eine Niederlage gegen Italien immer und auf jeden Fall vermeidbar ist und wir deshalb einen Sündenbock suchen, maulen oder Köpfe abhacken müssen.

Was ich mir für die WM 2014 wünsche (neben einem Weltmeistertitel für das deutsche Team, das es verdient hätte, für sein erstklassiges Spiel auch einmal belohnt zu werden), ist also eine Fankultur, bzw. eine Öffentlichkeit, die sich über mehr definiert als über die Sehnsucht nach der großen Weltmeisterfete. Ich rede gar nicht von Patriotismus, nur von einem bisschen mehr an Ernsthaftigkeit – und vielleicht einigen neuen Liedern. Partyotismus allein reicht einfach nicht.

So, Moralpredigt beendet. 🙂

*Ich möchte klarstellen, dass ich hier nicht von den hartgesottenen Fans rede, die dem Team nach Polen, bzw. in die Ukraine nachgereist sind und es vor Ort unterstützt haben. Ich rede von der großen Teilen der deutschen Medienöffentlichkeit und dem Standardpublikum bei Public Viewing – Veranstaltungen und daheim vor dem Fernseher.

Traumjob zu vergeben – Freitag, 29. Juni 2012

Meine Jobsuche geht weiter, und ich habe dabei heute eine noch unheimlichere Begegnung gehabt als gestern. Musste ich doch tatsächlich eine Praktikumsbeschreibung lesen, in der sich folgende Angaben fanden:

„Praktikant (m/w) im Bereich Public Relations gesucht.

DU:

-bist zuverlässig, flexibel und begeisterungsfähig

-studierst in einem höheren Semester (ab 4.) Kommunikationswissenschaft, Medienwissenschaften oder Vergleichbares

-hast idealerweise bereits erste Erfahrungen im Bereich Public Relations

-möchtest deine Fähigkeiten in ein junges, dynamisches Start-up-Unternehmen einbringen

Es handelt sich um einen Vollzeitjob (40h/Woche).

Gehalt: Mind. 250 € im Monat“

Okaaaaaaay???

Ich möchte mal wissen, was für Menschen das eigentlich sind, die sie da suchen. Sie wollen also jemanden, der 40 Stunden pro Woche für sie arbeitet, für nichts als ein besseres Taschengeld?!

Ich rede gar nicht davon, dass es schön wäre, für seine Arbeit auch nur ansatzweise angemessen bezahlt zu werden. Nehmen wir einmal an, „begeisterungsfähig“ impliziert blinden Idealismus, der den Praktikanten dazu motiviert, aus Freude an der Arbeit 40 Stunden die Woche zu malochen. Nehmen wir auch gerne mal an, es gäbe solche Praktikanten. Je nach Aufgabenstellung bin ich ja selbst hochmotiviert, oder glaubt irgendjemand, ich werde für mein Getippsel hier bezahlt?

Worum es mir vorrangig geht, ist, dass ich mich frage, wovon die Praktikanten denn dann leben. Von 250 € im Monat jedenfalls nicht, soviel kann man konstatieren. Die deutsche Stadt muss man mir erst mal zeigen, in der man davon auch nur die Miete für mehr als ein Kellerloch zahlen kann. Ich lasse mich gerne widerlegen; schließlich werde ich ja vermutlich selbst bald unter derartigen Bedingungen eine 40-Stunden-Woche antreten. Und nebenher noch echtes Geld verdienen könnte sich irgendwie schwer gestalten. Die Begeisterungsfähigkeit dürfte nach fünf durchwachten Nächten jedenfalls rapide abnehmen.

Hm…vielleicht studieren sie ja noch und kriegen Bafög oder werden von Mami und Papi finanziert?

Ja…nur welcher Bachelor/Master-Student kann neben dem Studium Vollzeit arbeiten? Mit normalen Arbeitszeiten zumindest dürfte es grau aussehen. Und irgendwie habe ich so ein Gefühl, dass „flexibel“ auf Überstunden hinausläuft, was die Sache noch etwas unwahrscheinlicher gestaltet.

Also – mit anderen Worten, sie suchen einen weißen Raben. Einen Menschen, der entweder auf Essen und Unterkunft oder aufs Schlafen verzichten kann, und dabei immer noch total gut drauf ist.

Ich glaube, sie sollten sich im Drogenmilieu umschauen. So durch wie die sind gehören sie dem wahrscheinlich eh längst an.

 

 

 

 

 

Unheimliche Begegnung der dritten Art – Donnerstag, 28. Juni 2012

Als strebsamer, fleißiger Mensch bin ich selbstverständlich bemüht, mir einen neuen Job zu suchen. Deswegen rief ich heute bei einem neuen potentiellen Arbeitgeber an, um zu ermitteln, ob die ausgeschriebene Stelle mich überhaupt am Leben halten kann. Nachdem ich ein paar Mal dem Leerzeichen gelauscht hatte, bekam ich schließlich jemanden an den Apparat.

„Ja?“ sagte ein etwas abgehetzt und im übrigen nicht besonders freundlich klingender Mann.

Ich stelle mich vor, und bat darum, die Kontaktperson, Frau Mickel* sprechen zu dürfen. Als Antwort hörte ich heftiges Keuchen, dann ein Murmeln.

„Ja?“ fragte eine ebenfalls etwas abgehetzt und ebenso wenig freundlich klingende Frau.

Ich stellte mich vor und bat um nähere Auskünfte zu der ausgeschriebenen Stelle. Mit außerordentlich lustloser Stimme erklärte die Frau, der Stundenlohn betrage 15 €. Ob ich noch weitere Fragen habe.

Ich überlegte eine Sekunde, während der die Frau mir atemlos in den Hörer keuchte. Dann beschloss ich, dass ich von dieser Firma genug mitbekommen hatte, um auf eine Bewerbung zu verzichten. Ich verabschiedete mich freundlich und legte auf.

Ich frage mich natürlich, womit ich diese bemerkenswerte Freundlichkeit verdient hattte. Hatte ich dumme Fragen gestellt? Hatte ihr meine Stimme nicht gepasst? Hätte ich „Guten Tag“ statt „Hallo“ sagen müssen?

Ach was. Ich wette, ich habe die beiden einfach nur beim Ficken gestört.

*Name geändert

Das hat mit Fußball nichts zu tuuuun – Mittwoch, 27. Juni 2012

Es juckt mich schon seit Tagen in den Fingern; und endlich, endlich darf ich die entscheidende Frage stellen, die auf tumblr sicher schon lange die Gemüter bewegt:

Wenn Fernando Torres gegen Cristiano Ronaldo antritt, wer gewinnt?

Also, laut Team Nando sprechen für Fernando Torres die Sommersprossen und die Stupsnase. Seine Miene ähnelt der eines frechen kleinen Mädchens im besten Trotzalter. Ein sehr authentischer Gesichtsausdruck, vorgetragen ohne jede Berechnung, bis hin zur vorgeschobenen Unterlippe.

Cristiano Ronaldo fehlt der Kleinmädchencharme; und man kann es als Nachteil werten, dass sein neutraler Gesichtsausdruck als Schlafzimmerblick beschrieben werden kann. Vertreter von Team Naldo betrachten diesen Umstand allerdings als Vorteil. Ihrer Meinung nach stellt der Schlafzimmerblick eine gute Grundlage für den Ausdruck nahezu jeder Gefühlsregung dar.

Wer jetzt denkt, „das hat mit Fußball nichts zu tuuuuun!!!“, dem kann ich nur zustimmen. Es geht ja auch gar nicht darum, wer von beiden ein Fußballturnier gewinnen würde.

Es geht einzig und allein darum, wer schöner schmollen kann. 😛

 

Eine neue Definition – Dienstag, 26. Juni 2012

Angesichts meiner Träume der vergangenen Nacht möchte ich die These aufstellen, dass Träumen nichts anderes ist, als seine logischen Fähigkeiten in den Dienst des Absurden zu stellen. Zur Verdeutlichung folgende Überlegungen, die ich letzte Nacht im Schlaf anstellte:

In diesem Traum stand ich im Flur und schaute ins Wohnzimmer, in dem eine behäbige schwarze Katze genüßlich ein Sandwich mit Gouda, Tomaten und Basilikum verzehrte – und mich beschlich der hässliche Verdacht, dass sich außer mir noch ein anderer Mensch, ein Fremder, in der Wohnung befinden musste. „Naja“, dachte ich, „dass da eine mir unbekannte Katze ein Sandwich frisst, das ich ihr nicht gemacht habe, heißt ja nicht, dass jemand anders, der sich hier versteckt hält, ihr das Sandwich gemacht hat. Vielleicht hat sie es ja selbst gemacht.“ Dann betrachtete ich die Angelegenheit realistisch und kam zu dem Schluss: „Selbst, wenn die Katze sich selbst das Sandwich gemacht haben sollte, was ich gerade noch so glauben will – dann hätte sie es nie geschafft, so schön symmetrisch zwei Basilikumblätter auf die beiden Brothälften zu legen! Es muss irgendjemand hier im Haus sein!“

Ich glaube, die Sache spricht für sich.

Und jetzt können wir uns ja im Stillen fragen, warum ich eigentlich dauernd von Katzen träume.

 

Ein bisschen Therapie – Montag, 25. Juni 2012

Es fragen sich ja immer wieder Leute, wie ich eigentlich so verrückt geworden bin. Zumindest denke ich, dass Leute sich das fragen. Wahrscheinlich bilde ich mir das nur ein. Schlimmstenfalls sind noch nicht mal die Leute echt.

Gut, bevor ich meine Existenz anzweifle, kommen wir zum Punkt: Warum bin ich eigentlich so daneben?

Ich könnte jetzt auf meine traumatische Kindheit unter intellektuellen Riesenfresszellen eingehen, in der meine ökologische Nische die des Pausenclowns war, der seine gnadenlose geistige Unterlegenheit dadurch verbirgt, dass er, wenn die Reaktion auf seine Bemerkungen allzu indigniert wirkt, einfach behauptet, er habe nur einen Witz gemacht. Erklärt ziemlich gut sämtliche Eskapaden auf diesem Blog, abgesehen vielleicht von den Analhelfern und der Scheißhaustheorie; dafür müsste man tiefer in die psychoanalytische Materie einsteigen.

Warum steckt in der Psychoanalyse eigentlich das Wort „anal“? Kommt sie irgendwann auch in eine reifere Phase und heißt dann Psychogenitalyse? Okay, ich stelle bei mir eine zunehmende Regression in den Fäkalhumor fest.

Naja, ich glaube, über die tiefen Wunden aus Kindertagen und die daraus resultierenden Persönlichkeitsdeformationen will niemand hier etwas wissen, ich am allerwenigsten. Kommen wir also zu naheliegenderen Gründen…

….

ICH HABE VIER VERDAMMTE JAHRE LANG IN EINER BIBLIOTHEK GEARBEITET!!!

Standardsituation 1: Kunde (m/w) kommt zur Theke marschiert und legt ein Buch darauf. Schweigend.

Was du tun willst: Ihn schweigend anschauen; mal sehen, ab wann er sich blöd vorkommt.

Was du tust: *gequältes Lächeln* „Möchten Sie das Buch zurückgeben?“

Standardsituation 2: Kunden (m/w) unterhalten sich lautstark. Nachdem du sie bereits zweimal gebeten hast, ruhig zu sein.

Was du tun willst: Sie mit einem Exemplar von P. J. Atkins Organischer Chemie erschlagen.

Was du tust: Gott dafür danken, dass der Chef im Urlaub ist und nicht sieht, wie unfähig du bist, die dir übertragenen Aufgaben zu erfüllen.

Standardsituation 3: Es gibt nichts zu tun. Absolut nichts. Und die Zeit schleicht.

Was du tun willst: Laut schreien / den Laden abfackeln / einfach heimgehen.

Was du tust: Dir überlegen, wie du den Laden evakuieren würdest, falls jemand anderes ihn abfackelt. Dann übernimmst du wieder die Rolle des Attentäters und überlegst dir, wie du trotz des genialen Evakuierungsplans der tapferen Bibliothekshilfskraft alle umbringen könntest. Dann wechselst du wieder Rollen. Fünf Stunden lang.

Obwohl ich heute gekündigt habe, wird es natürlich weiter die Theorie des Tages geben. Schließlich kann die Heilung von so einem Wahnsinn lange dauern. Und umso mehr, weil ich…

…den Laden jetzt schon vermisse.

Und noch ein inhaltsloser Skandal – Sonntag, 24. Juni 2012

Erst vor ein paar Tagen sah ich bei Markus Lanz eine Diskussion darüber, ob Fußballer direkt nach dem Spiel interviewt werden sollten; und von irgendeiner Seite kam das Argument, dass es schade wäre, wenn man gar nicht mehr die ungefilterten Emotionen der ungeduschten Spieler zu Gesicht bekäme.

Wie viele das nach Nasris verbalem Ausraster gestern immer noch so sehen?

Es ist doch recht vorhersehbar, wie die Sache weitergehen wird. Die ganze Angelegenheit wird bis zum nächsten Stahlhelmgate als Skandal gehandelt, Nasri wird sich entschuldigen und eine Geldstrafe zahlen müssen, und er wird bis an sein Lebensende in Interviews auf seinen Ausraster angesprochen werden. Und, ehrlich gesagt, regt mich das auf.

Wer ungefilterte Emotionen will, der soll sich nicht darüber beschweren, wie ungefiltert sie rauskommen. Oder wie bei Lanz so schön gefordert wurde: Die unmittelbaren Reaktionen der Spieler, auch Wut und Frust, muss man einordnen können.

Einordnen wiederum heißt, dass man es ihnen nicht zum Vorwurf macht, dass sie unmittelbar nach dem Spiel noch unter dem Eindruck des Erlebten stehen und sich nicht so sehr beherrschen können, wie sie es sich im Nachhinein vielleicht selbst wünschen würden.

Man kann solche Reaktionen im Fernsehen zeigen – wenn man darauf mit Verständnis reagiert und eine Einordnung vornimmt. Wer erst auf ungefilterte Emotionen lauert, sie vielleicht sogar absichtlich provoziert („Dann hau doch ab!“), und sie dann zum Skandal hochpusht, der führt die Spieler vor.

Versuchen wir also mal eine Einordnung:

Der Stern geht davon aus, dass Nasris Reaktion der Enttäuschung über das Ausscheiden Frankreichs, sowie seiner eigenen späten Einwechslung geschuldet war. Ich denke, dass viel mehr dahintersteckt.

Nasris erster Satz an den Journalisten war nämlich: „Ihr sucht doch nur nach Ärger und Scheiße.“ Ich deute das so, dass er sich nicht über die Niederlage aufregt, sondern darüber, wie sie interpretiert werden wird. Über die neuerlichen Gerüchte, die aufkommen werden darüber, wie zerstritten und innerlich zerrüttet die Mannschaft sei. Was, obwohl Frankreich weiß Gott nicht gut gespielt hat, doch ein wenig unfair ist – es ist schließlich keine Schande, gegen Spanien zu verlieren.

Ich kann mir höchstens ansatzweise vorstellen, wie anstrengend es sein muss, wenn die ganze Welt miese Mutmaßungen über die Ursachen einer persönlichen (oder auch gemeinschaftlichen) Niederlage anstellt. Und wie es sein muss, als Mannschaft mit einem bad boy image rumzulaufen. Wenn hinter jeder Niederlage interne Querelen vermutet werden.

Ich glaube, dass Frankreich gerade deshalb momentan durch Niederlagen sehr leicht zu verunsichern ist; dass deshalb die Niederlage gegen Schweden solche Streitereien hervorgerufen hat. Dass also nicht innere Uneinigkeit der Grund für die Niederlage war – sondern umgekehrt die Niederlage einen sehr wunden Punkt berührt hat. Die Angst, dass es doch nicht vorbei ist. Die Angst, dass die Skandale und Skandälchen weitergehen. Diese Art Verunsicherung kann man nicht brauchen, wenn man gegen Spanien spielt.

Ein Sieg, ein erfolgreiches Turnier hätte Frankreich die Chance gegeben, sich zu rehabilitieren. Durch nichts hätte die Mannschaft sich überzeugender von dem Schatten des Skandals von 2010 befreien können. Mit jedem Scheitern aber sehen sie – und die Medien – sich darin bestätigt, dass es nicht vorbei ist. Darüber kann man schon mal verzweifelt oder wütend sein.

Die Erleuchtung – Samstag, 23. Juni 2012

Ich hatte ja vor ein paar Tagen eine schwere Identitätskrise erlebt, weil bei mir plötzlich der Sudoku-Wahn ausgebrochen war. „Oh Gott,“ hatte ich gedacht, „verwandle ich mich jetzt etwa in so einen schrecklichen Gehirnjogging-Spießer, der bei Bewerbungsgesprächen nur auf die Frage wartet, wie viele Smarties in einen Smart passen? Oder in so einen schauderhaften Bildungsbürger, der alles nicht-westliche by default für kulturell hochwertig und sich für total hip hält, weil er anspruchsvolle japanische Zahlenrätsel lösen kann, die doch ein unerleuchtetes, dem Materialismus und der Oberflächlichkeit verhaftetes westliches Hirn in ihrer ganzen Tiefe unmöglich erfassen können sollte?“

Schmarrn.

Ein Blick auf Wikipedia hat mich von diesen Sorgen befreit. Dort erfuhr ich nämlich, dass Sudokus auch in Japan ein Importprodukt waren. Erfunden hat sie, thank Ford, ein Amerikaner.

Ich sage das nicht, weil ich was gegen die japanische Kultur habe, im Gegenteil. Ich habe als Kind und Jugendliche Mangas geliebt, insbesondere Sailor Moon (und dreimal darf der geneigte Leser raten, wie scheiße meine bildungsbürgerlichen Eltern das fanden). Ich sage das, weil ich jetzt endlich weiß, warum ich plötzlich Sudokus toll finde.

Das ist die schleichende Amerikanisierung unserer Gesellschaft! Halleluja! Ich bin immernoch ein geistloser Konsument us-amerikanischer Kulturlosigkeit! Meine Integrität bleibt gewahrt!

Tja…nicht aber die der Bildungsbürger von der Süddeutschen Zeitung, die jeden Tag brav die neuesten „japanischen“ Geistesübungen abdrucken, und ebensowenig die der bewusst lebenden geistig unabhängigen Links-Schickeria, die sie liest. Die laufen alle entgegen ihren tief verwurzelten Vorurteilen einem amerikanischen Trend hinterher und denken, sie tun dabei etwas für ihre Erleuchtung!

Das ist absolut orgasmic.

Geiles Haarshampoo – Freitag, 22. Juni 2012

Wenn man zuviel Zeit hat, sieht man zuviel fern. Und wenn man zuviel fernsieht, dann sieht man zuviel Werbung. Und die wirft unweigerlich Fragen auf. Etwa, warum gewisse Produkte des alltäglichen Gebrauchs bei manchen Frauen eine sofortige vokale Pornografisierung hervorrufen. Mit anderen Worten:

Warum stöhnen Frauen, wenn sie die Inhaltsstoffe irgendeines x-beliebigen Haarshampoos aufzählen? Ich als Frau finde Blütenextrakte jetzt nicht unmittelbar erotisierend. Ebensowenig die neue Glanzformel.

Natürlich sind die Gefühle der Menschen in der Werbung ebenso gespielt wie meine Naivität. Und natürlich stöhnen die Frauen die Inhaltsstoffe, damit die potentiellen Kunden das Produkt mit Sex, bzw. Sexiness assoziieren und eine positive Beziehung dazu aufbauen.

Aber hat schon einmal jemand darüber nachgedacht, was für schreckliche Folgen das haben könnte? Ich sage dem geneigten Leser, was ich denke, was passieren wird:

Ich denke, dass wir eines Tages nicht mehr Haarshampoo mit Sex, sondern Sex mit Haarshampoo assoziieren werden. Und das ist so lame, dass die Menschheit demnächst vom Aussterben bedroht sein wird. Was vielleicht nicht das Schlechteste ist für unseren Planeten, zumindest aus Sicht gewisser Öko-Aktivisten.

Vielleicht war es ja ihre Idee, Frauen Produktbeschreibungen stöhnen zu lassen. Und damit ihnen niemand draufkommt, tarnen sie sich als Feministen und bashen Medien und Kapitalismus.

Verdammt, das macht Sinn…

Theorie des Tages goes Partnervermittlung – Donnerstag, 21. Juni 2012

Es gibt bestimmte klischeehafte Berufskombinationen, die man bei Paaren immer wieder findet. Dazu gehören etwa Chefarzt und Krankenschwester, Zahnarzt und Vorsitzende eines ehrenamtlichen Vereins Hausfrau auf dem Selbstverwirklichungstrip, und natürlich el classico: Fußballer und Model. (Insbesondere letztere Kombination wird pikant, wenn der Fußballer selbst gleichzeitig Model ist, so etwa Gerard Piqué.)

Aber woher sollen weniger klischeebelastete Berufstätige wissen, in welcher Branche sie nach einem Partner suchen sollen? Stellen wir doch mal ein paar Theorien auf. Wer passt zum Beispiel zu einer Bürokauffrau?

Brrr….was für eine Jobbeschreibung.

Wie wäre es mit einem Steuerberater?

An wen würde ich einen Wurstwarenfachverkäufer vermitteln?

Vielleicht an die nette junge Dame aus der Gemüseabteilung? Oder an den Warenverräumer (m/w), der/die praktischerweise auch im gleichen Supermarkt tätig ist?

Was ist mit der Bibliothekarin, die neben der Arbeit Harry-Potter-Fanfiction liest und den ganzen Tag darauf wartet, dass ihr Traummann vorbeikommt, um sich P.J. Atkins Organische Chemie auszuleihen und dabei praktische Erfahrungen mit einer anderen Art Chemie macht? Wer, außer einem Regisseur, kann ihr diesen Lebenstraum schon erfüllen? Und ich bezweifle, dass der durchschnittliche Regisseur sich für P.J. Atkins wissenschaftliche Abhandlungen interessiert.

Es gibt aber auch echte Härtefälle. An wen beispielsweise vermittelt man einen Blogger?

Keine Ahnung. Aber ein Millionär sollte es schon sein.