Theorie des Tages

Monat: August, 2014

Das Steakhouse-Sterben – Sonntag, 31. August 2014

Langsam geraten meine Traditionen in Gefahr. Jedes Jahr an Karfreitag und auch bei den gelegentlichen Besuchen meiner Mutter gehe ich Steak essen. Und jetzt? Jetzt macht ein Steakhouse nach dem anderen zu. Früher gab es in der Innenstadt noch zwei, mittlerweile muss ich in die Peripherie fahren. Wie aber kommt das? Wie kommt es, dass ausgerechnet die zentral gelegenen zuerst dichtmachen?

Hypothese 1: Die in den Randbezirken haben weniger Konkurrenz und halten sich deshalb länger.

Hypothese 2: In den Randbezirken wohnt die Unterschicht. Die Unterschicht ernährt sich ungesünder. Deshalb halten sich Steakhäuser dort länger.

Hypothese 3: Die Steakhouse-Kette wird von einer Gang militanter Regenwaldvegetarier terrorisiert und zu den Filialen, die weit draußen liegen, trauen sie sich nicht. Schließlich regieren da ja die echten Gangster. 

 

 

Bigotterie – Samstag, 30. August 2014

Schlimmer, als verurteilt zu werden, ist nur noch, explizit nicht verurteilt zu werden.

Supermarkt des Grauens – Freitag, 29. August 2014

Es war Samstagmittag und der Supermarkt war zum Bersten voll. In jeder kleinen Gasse drängelten sich Menschen, die Schlangen begannen schon an der Eingangstür und alle naslang bekam man eine Einkaufstüte in den Rücken. Ärgerlich betrachtete ich die Auswahl an Bettsocken. Zwar gab es sie in grau, blau und rosa, aber leider ausschließlich in Größe 37. Auch die Stöckelschuhe, Hotpants und Ballerinas waren eher für zierliche Frauen gemacht. Die Mitbegründerin meines Blogbüros zog mich von dem Ständer weg, bevor ich mich wegen Diskriminierung beschweren konnte.

„Was wollen wir denn essen?“ fragte ich, als ich mich damit abgefunden hatte, dass ich heute nicht mehr zur Vorkämpferin großfüßiger Damen werden würde.

„Salat!“ sagte die MBMBB in einem Tonfall, als wäre sie bestenfalls drei Jahre alt.

„Na gut!“ antwortete ich, ganz die Mama. „Salat! Dann müssen wir mal in die Gemüseabteilung!“

Die Gemüseabteilung befand sich gleich am Eingang des Ladens, da, wo die Schlangen begannen. Allerdings war umgebaut worden, seit ich das letzte Mal dagewesen war. Die Auslagen bestanden mittlerweile aus Holz, und nicht nur das: Ganz im Stil einer Gepäckausgabe rotierten sie. Blöderweise war das Konzept aber noch nicht ganz ausgefeilt. Da die Auslage Hufeisenform hatte, fiel am Ende des Durchlaufs immer alles auf den Boden, wenn nicht ein eifriger Mitarbeiter in einem blauen Hemd es rechtzeitig aufhob. Ich sah den Abschnitt mit dem Salat auf das Ende der Auslage zukreiseln.

„Schnell, der Salat läuft uns davon!“ rief ich und versuchte, mich mit meiner monströsen Einkaufstüte durch die Massen zu drängeln.

Tatsächlich erwischte ich den Salat noch rechtzeitig, gerade, als er am Eingang vorbeirotierte. Blöderweise sahen die verbliebenen Exemplare wenig schmackhaft aus, ein wenig wie vertrocknete Rosenstöcke.

„Tut mir leid!“ sagte eine Mitarbeiterin, die gerade vorbeikam. „Der Besitzer hat gewechselt, es gibt jetzt nur noch katholische Salatköpfe!“

Schnell zog ich die schönste der drei konfessionsgebundenen Vorspeisen von der Auslage. Die MBMBB drängelte sich an mir vorbei.

„Ich geh schon mal rüber, in den Getränkemarkt!“ sagte sie. „Ich komm gleich noch mal!“

Ich nickte, aber sobald sie draußen war, gingen vor der Tür die Rollläden runter. Offenbar war es bereits eins. Ich stellte mich mit meinem Rosenstocksalat und den Einkäufen an eine der Schlangen. Zu meiner Überraschung leerte sich der Supermarkt jedoch plötzlich rapide. Auf einmal war ich allein bis auf drei Kinder (einen Jungen und zwei Mädchen). Wir standen auch nicht mehr im Supermarkt, sondern auf einer Galerie im ersten Stock über einer altehrwürdigen Aula. Aus einem Saal in der Nähe drang eine laute Stimme, die immer wieder von Applaus und Hochrufen unterbrochen wurde. Jetzt wurde mir auch klar, was Sache war: In dem Saal sprach gerade der neue Besitzer. Er predigte den Kunden die frohe Botschaft.

„Wollt ihr die Erlösung?“ rief er.

„Jaaaa!“ schrie das Publikum zurück.

Ich verdrehte die Augen und grinste den Kindern zu.

„Das klingt ja wie eine Hitlerrede!“ sagte ich. „Wollen wir nicht lieber gehen?“

„Wieso? Zuhören müssen wir ja sowieso!“ sagte das eine der Mädchen ganz ernsthaft.

„Aber Blödsinn müssen wir das!“ sagte ich. „Ich gehe jetzt jedenfalls!“

Augenblicklich wurde ich aufgehalten. Ein ca. 18-jähriges Mädchen mit kurzen, braunen Haaren und dunklen, puritanischen Augen fragte mich empört, ob ich denn gar nicht um mein Seelenheil besorgt sei.

„Nein, bin ich nicht, ich bin eh Atheist! So, und jetzt sag mir, wo der Ausgang ist!“

Auf diese Provokation hin entspann sich zwischen uns ein recht solides Handgemenge, bei dem mir meine Einkäufe als Wurfgeschosse gute Dienste leisteten. Das Ende vom Lied war, dass ich die Treppe in die Aula hinunterrannte, gerade, als der Prediger und seine Schäfchen den Saal verließen. Ich erstarrte. In der Aula standen immer noch die blaubehemdeten Angestellten. Ich war mir nicht sicher, wie sie zu ihrem neuen Boss standen. Nervte sie das ewige Predigen, oder würden sie mich lynchen, wenn ich versuchte, zu fliehen?

„Soo!“ rief der Prediger. „Ich freue mich, dass ihr heute alle hier versammelt seid, und ganz besonders möchte ich dem kleinen xy zu seiner Kastration gratulieren!“

Ich drehte mich um und sah den kleinen Jungen kahlgeschoren und im Mönchskostüm am Kopf der Treppe stehen. Er grinste stolz. Mein Anatomieprofessor stand mit unbewegtem Gesicht daneben.

„Halt!“ rief das braunhaarige Mädchen dramatisch. Der Prediger wandte sich ihr zu.

„Es ist jemand unter uns, der nicht reinen Herzens ist!“

Schnell suchte ich Deckung hinter ein paar zotteligen schottischen Highland-Kälbern, die sich zwischen die Blauhemden geschoben hatten. Aber natürlich wurde ich sofort entdeckt.

„Wir werden den Sünder bestrafen!“ schrie es um mich her, während ich von der Masse hochgehoben wurde.

„Überlasst das doch lieber Gott!“ rief ich in der Hoffnung, noch einmal davonzukommen.

Ohne auf mich zu hören, beförderte mich die Masse Richtung Tür, und dann direkt auf die Straße. Sofort rasselten die Rollläden hinter mir herunter. Wenn das alles war – damit konnte ich leben.

Blöderweise hatte sich die Umgebung mittlerweile erheblich verändert. Anstelle des Getränkemarkts befand sich mir gegenüber jetzt eine Bushaltestelle, und von der MBMBB war keine Spur zu sehen. Ich hoffte, dass sie es bereits nach Hause geschafft hatte. Ich hatte keine Ahnung, wo ich war, aber nachdem ein paar Busse einfach vorbeigefahren waren, hielt schließlich eine Trambahn an der Bushaltestelle und brachte mich netterweise direkt zur nächsten U-Bahn. Die Anzeigetafel der U-Bahn (nächster Zug: 75 Minuten) ließ wenig Gutes verheißen, war aber glücklicherweise nicht ganz so zuverlässig, wie ich befürchtet hatte. Unterwegs gelang es mir auch, die MBMBB anzurufen, die allerdings mittlerweile bei sich selbst zuhause war. Blöd, aber Hauptsache in Sicherheit. Dachte ich. Denn als ich endlich meine Haustür aufsperrte, hörte ich von nebenan – Klaviergeklimper. Da wurde der Traum dann so schrecklich, dass ich aufwachte.

Die Bälle sind gefallen – Donnerstag, 28. August 2014

Dinge, die ich heute gelernt habe:

  • Die Champions League Auslosung ist komplizierter als das deutsche Steuerrecht.
  • Wenn dem FC Bayern ein englisches Team zugelost wird, das nicht Liverpool ist, dann kann das erheblichen Jubel auslösen.
  • Wenn einem Team wie Real Madrid aus Topf zwei ein Team wie Basel zugelost wird und man selbst in Topf drei ist, dann kann das erhebliche Erleichterung auslösen.
  • Wenn man selbst dann nicht mit Barca und PSG in einer Gruppe landet, ist das noch viel schöner.
  • Die deutschen Kommentatoren interessiert alles außer der Auslosung selbst, weswegen sie permanent reinquatschen.

Dinge, die ich gestern schon wusste:

  • Wer Ludogorets sind.

Noch einmal schlafen – Mittwoch, 27. August 2014

OMG OMG OMG OMG
Morgen ist es soweit.
Und in der Zwischenzeit lachen wir noch ein bisschen über die Mancs.

Der Preis des Perfektionismus – Dienstag, 26. August 2014

Die Regel, dass die letzten 20 Prozent 80 Prozent der Zeit kosten, gilt wohl auch für die Genesung von Erkältungen.

HABEMUS PAPAM! – Montag, 25. August 2014

Ich glaube, wir haben gerade tatsächlich Balotelli gesigned. 😀

Ihr verdammten Arschlöcher! – Sonntag, 24. August 2014

Beim heutigen Versuch, Currypute zu machen, kam mir ein Abschnitt aus Alice im Wunderland in den Sinn, wo sie denkt: „Ich habe zwar schon oft eine Katze ohne Grinsen gesehen, aber noch niemals ein Grinsen ohne Katze.“

Analog könnte ich sagen: „Ich habe zwar schon oft Pute ohne Curry gemacht, aber noch niemals Curry ohne Pute.“ Da der Supermarkt meines Misstrauens mir blöderweise mal wieder Gammelfleisch angedreht hat, wird es heute aber wohl irgendwie funktionieren müssen.

Genesungsprobleme – Samstag, 23. August 2014

Wenn man am Rande der Genesung mal wieder zum Einkaufen geht, ist das ein sehr merkwürdiges Gefühl. Die ganzen gesunden, normal gutangezogenen bis aufgestylten Gestalten wirken wie eine andere Spezies, wenn man selbst mit tiefen Augenringen und schlaff zurückgebundenen Haaren durch den Laden wankt. An Schminken ist noch nicht zu denken, dazu sind die Nebenhöhlen noch zu dicht.

Dazu kommen dann die gelegentlichen Schweißausbrüche, die dadurch begünstigt werden, dass man mitten im August angezogen ist, als wollte man zum Skifahren. Und die Nase, die immer dann anfängt zu laufen, wenn man gerade in der einen Hand die Tasche und in der anderen den Geldbeutel hat. Der Konflikt zwischen lautstark Nase hochziehen, während man zahlt, oder aber riskieren, dass ein riesiger Rotztropfen daraus hervorquillt, ohne, dass man es merkt.

Erkältungen sind ein verdammtes Elend.

Missgeschicke – Freitag, 22. August 2014

Ein angenehmer, frühherbstlicher Augustabend. Ich komme schniefend und erschöpft vom Einkaufen zurück. Trete ins Haus, rufe den Aufzug. Warte, und plötzlich dringt durch meine verschnupfte Nase ein alarmierender Geruch zu mir durch. Feuer?

Ich gehe ein paar Schritte in den nahegelegenen Flur. Versuche, zu schnuppern. Schaue, ob unter einer der Türen Rauch hervorquillt. Der Geruch wird stärker, ich schalte meinen mp3-Player ab. Es sind Stimmen zu hören. Na gut, dann muss ich mir ja keine Sorgen machen, dass ich die Einzige bin, die etwas bemerkt hat.

Ich höre, dass der Aufzug kommt, kehre um. Greife nach der Tür, will sie öffnen – sie bleibt zu. Zack, der Aufzug fährt wieder weg. Verdammt. Ich drücke nochmal auf den Knopf, das habe ich jetzt von meiner nachbarschaftlichen Aufmerksamkeit.

Da geht im Flur eine Tür auf. Ein Junge um die 16 kommt heraus, einen Plastikbecher in der Hand. Als er an mir vorbeigeht, sehe ich, dass sein Gesicht rußgeschwärzt ist. Was da wohl passiert ist? Indoor-Grillen? Eintopf verkohlt? Oder doch etwas Feuerwerk im Badezimmer?