Theorie des Tages

Kategorie: Politik

Glaube, Liebe, Hoffnung – Freitag, 05. September 2014

In meiner Siedlung lebt ein Sprayer. Ich mache mir manchmal Gedanken darüber, was das wohl für ein Mensch sein mag, denn irgendwie hat er etwas Trauriges an sich.

Lasst uns die Revolte starten! sprüht er regelmäßig an diverse Hauswände, das „Lasset uns beten!“ der Linksextremisten. Immer, wenn ich diesen Satz lese, frage ich mich, welche Hoffnungen oder Erwartungen der Urheber wohl mit seinem Handeln verknüpft. Ob er in den Tagen und Wochen nach seinen Sprühaktionen gespannt darauf wartet, dass etwas passiert. Zum Beispiel, dass Menschen, die an den Graffiti vorbeikommen, stehenbleiben und ein Gesicht machen, als wären sie plötzlich aus einem Traum aufgewacht. Oder dass die Fensterscheiben der mittlerweile geschlossenen Bankfiliale eingeworfen werden, um die verbliebenen Bürostühle unter den Armen zu verteilen. Vielleicht finden sich die Bewohner der Siedlung auch zu einer Spontandemo gegen das kapitalistische Schweinesystem zusammen, wer weiß. Einen Mangel an Fantasie kann man unserem liebenswerten Fanatiker jedenfalls nicht vorwerfen. 

Leichen im Keller – Samstag, 02. August 2014

Ich habe ja Albträume der unterschiedlichsten Art; in Sachen Fußballalbträume mache ich inzwischen immerhin Fortschritte. Anstatt davon, was Ende letzter Saison passiert ist, träume ich mittlerweile davon, was diese Saison alles schiefgehen könnte. Damit aber nicht genug, hatte ich letzte Nacht auch noch einen Albtraum anderer Sorte:

Es war ein früher Morgen, ich saß mit ein paar Freunden, die ich gar nicht habe, in der U-Bahn, und plötzlich musste ich wieder daran denken, dass wir vor einem Jahr im Suff einen ziemlichen Scheiß gemacht hatten: Wir hatten ein paar Leichen aus einer Leichenhalle geklaut und in der Landschaft verteilt, damit Gott-weiß-wer sie finden konnte. Tja, offenbar hatten wir sie recht gut versteckt, denn sie waren jetzt erst gefunden worden. Jetzt, als ich diesen Witz schon gar nicht mehr so lustig fand.

Leider verband uns eine ziemlich eindeutige Spur mit der Leichenhalle, so dass durchaus zu fürchten war, dass man uns auf die Schliche kommen würde. Den ganzen Traum über quälte ich mich also mit der Frage, ob das für mich schon das berufliche Aus bedeuten würde, oder ob man mir es gerade noch einmal durchgehen lässt…

Es ist ein sehr typischer Albtraum für mich. Ich weiß nicht, was für Leichen ich so im Keller meines Unbewussten verberge, aber sie müssen ziemlich massiv sein. Ich habe ja so eine Idee: Wahrscheinlich sind das meine ganzen Blog- und Forenleichen, und das unbestimmt-drückende Gefühl, dass jeder Mensch, der jemals im Internet etwas anderes außer das Wetter abzurufen getan hat, seine bürgerliche Existenz eigentlich nur noch von geborgter Zeit lebt. Die allumfassende Überwachung ist im Grunde nichts als eine Real-Werdung eines ultimativen Über-Ichs, das sämtliche barbarische Strafen, die früher bloße Fantasmen waren, jetzt tatsächlich verhängen kann – allen voran die öffentliche Bloßstellung und die Vernichtung der gesellschaftlichen Existenz. Warum wir uns trotzdem weiter ausliefern? Ich weiß es nicht. Ich würde gerne glauben, dass es Trotz ist, vielleicht ist es aber auch einfach Sucht.

An unsere lieben Fußballhasser – Mittwoch, 09. Juli 2014

Bei jedem wichtigen Fußballspiel bin ich versucht, meine halbe Twitter-Timeline zu entfolgen. Nein, liebe Fußballhasser! Nicht, weil alle über Fußball reden! Weil ihr über Fußball redet!

Natürlich redet ihr nicht darüber, ob Deutschland Weltmeister wird oder wie gut Argentinien ohne Messi wäre. Ihr redet darüber, dass Krieg ist. Dass Gesetze verabschiedet werden. Spionage bekannt wird. Und dass das alles viel, viel wichtiger ist als Fußball. Und wisst ihr was? Ihr habt recht! Und deshalb überrascht es mich, wie viel Zeit und Energie ihr aufzuwenden bereit seid, um euch darüber aufzuregen, dass zur Zeit eine Fußballweltmeisterschaft stattfindet.

Wenn ich euch richtig verstanden habe, dann findet ihr, dass der fußballverrückte Teil der Menschheit seine Aufmerksamkeit auf die falschen Dinge richtet. Das Merkwürdige ist aber doch, dass ihr, die bekennenden Fußballhasser, die ihr euch ausschließlich mit Krieg, Frieden und Netzpolitik beschäftigt, immer ganz genau wisst, wann ein Spiel stattfindet und welche Hashtags ihr blocken müsst, um ja nichts davon mitzubekommen – und euch dann noch die Zeit nehmt, das dem Rest eurer Timeline kundzutun. Manchmal denke ich, die Spiele würden euch vielleicht weniger beschäftigen, wenn ihr sie einfach anschaut. Aber das ist nur ein Vorschlag. Wir können auch den anderen Weg gehen, und uns einmal anschauen, warum ihr euch eigentlich so merkwürdig verhaltet.

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Eure eigene Narration ist so selbstdienlich wie simpel. Ihr seid die sensibleren, bewussteren Menschen, und deshalb versetzt es euch so in Rage, dass eure Umgebung sich mit Trivialitäten wie Fußball befasst, während anderswo Bomben fallen oder kriminelle Gesetze verabschiedet werden. Ich hingegen erlaube mir, diese Narration einmal umzudrehen. Ihr hasst Fußball nicht, weil ihr sensibler seid. Ihr seid sensibler, weil ihr Fußball hasst.

Ihr als Fußballhasser könnt es nicht wissen, aber ihr verhaltet euch so wie Fans, deren Team gerade eine brutale Niederlage hat einstecken müssen. Ihr befindet euch in einer Art Trauerstimmung, und die macht euch empfindlich und reizbar. Fröhlichkeit interpretiert ihr als Aggression; der Gegensatz von Freude und Leid erscheint euch wie ein unerträgliches Rätsel, das gelöst werden muss, wenn das Leben noch einen Sinn machen soll. Ihr seid ein kleines bisschen die Mutter, die ein Kind verloren hat und nicht verstehen kann, wie andere Menschen lachen können.

Nur, dass ihr kein Kind verloren habt. Euer Kind heißt Gaza, Syrien, NSA und Deutscher Bundestag, aber es könnte auch beliebige andere Namen haben, solange es sich als Instrument eurer seelischen Selbstüberhöhung anbietet. Das Ironische daran ist natürlich Folgendes: Ihr glaubt zwar, durch eure zwanghafte Gegenüberstellung von Fußball und Weltpolitik grenzt ihr euch vom WM-Wahn ab – in Wirklichkeit ist sie aber eure Art, daran teilzuhaben. Die Art und Weise, wie ihr seufzt Wenn man nur die Tore gegen den Frieden eintauschen könnte…. (Tore? Woher wisst ihr Fußballhasser eigentlich schon wieder so genau, wie viele gefallen sind?) ist nicht weniger sentimental als die Gefühle, die der Fan seiner Mannschaft entgegenbringt, und einen größeren Einfluss auf die Situation im Nahen Osten hat sie auch nicht. Genau in dieser maskierten Teilnahme verrät sich nun aber der Grund für euren Hass: Ihr fühlt euch ausgeschlossen.

Ohne, dass es euch klar ist, seid ihr in einen ausgesprochen trivialen Kampf verwickelt, der durchaus mit Fußballrivalitäten zu vergleichen ist. Eure Gegner sind diejenigen, die sich vom WM-Fieber mitreißen lassen. Eure Hoffnung ist, dass die Geschichte euren Standpunkt, nämlich das Desinteresse an Fußball, belohnt, etwa durch eine frühe Niederlage der deutschen Mannschaft. Passiert aber das Gegenteil, dann leidet ihr. Und zwar leidet ihr weniger unter den Hupen, den Tröten und den Schlagzeilen, als unter der Tatsache, dass das ganze Land über etwas aus dem Häuschen ist, was ihr nicht nachempfinden könnt. Ihr spürt, dass euch etwas entgeht, etwas vorenthalten bleibt, und das gibt euch das Gefühl, auf der Verliererseite zu stehen. Und dann setzt das Trauerverhalten ein. Ihr werdet übersensibel gegen Fröhlichkeit, identifiziert euch mit dem Elend der Welt und schießt giftige, moralinsaure Pfeile in Richtung einer ausgelassenen Masse ab, die mit ihrer Ausgelassenheit im Grunde niemandem etwas Böses will – und euch am wenigsten, weil sie euch gar nicht zur Kenntnis nimmt. Ihr stellt eine mystische Verbindung zwischen der Fröhlichkeit der Massen und dem Elend der Welt her – nicht, weil die WM schuld am Krieg wäre, sondern weil sie schuld an eurem persönlichen Elend ist. Das bleibt also letztlich übrig von eurer scheinbar unantastbaren moralischen Überlegenheit – persönliche Gekränktheit darüber, dass die Welt von etwas begeistert ist, was ihr nicht versteht.

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Ihr glaubt mir nicht? Ihr haltet immer noch euch für die besseren Menschen und euren Fußballhass für die Rettung der Menschheit? Na gut, dann gehen wir es nochmal der Reihe nach durch.

Tweet: „Während #BRAGER hat der Deutsche Bundestag übrigens folgende Gesetze verabschiedet: ….“

Aha. Und was, glaubt ihr, wäre passiert, wenn nicht nebenher Fußball gelaufen wäre? Hätten dann erzürnte Bürger das Parlament gestürmt und die Verabschiedung des betreffenden Gesetzes verhindert? Wenn ihr wirklich glaubt, es bräuchte Fußball, um die Deutschen von etwaigen revolutionären Vorhaben abzuhalten, dann lebt ihr im Wolkenkuckucksheim.

Analoges gilt übrigens für die Weltpolitik. Wenn zufällig gerade Fußball läuft, während ein Krieg ausbricht, dann lauten die Schlagzeilen: Krieg im Nahen Osten und die Welt schaut weg! Läuft kein Fußball, dann lauten die Schlagzeilen: Krieg im Nahen Osten und die Welt schaut zu! Der Unterschied? Eine Frage der Wortwahl.

Für viele Menschen sind Fußballbegeisterung und politisches Bewusstsein kein Widerspruch. Fußball ist der beliebste Sport der Welt – das setzt voraus, dass sich die Gesamtheit der Fußballfans nicht nur aus einer Art Mensch zusammensetzt. Folglich werden sich unter selbigen auch politisch Engagierte (und zwar jeder Couleur) finden. Vielleicht sind einige von ihnen engagierter als ihr. Möglich sogar, dass manche intelligenter sind. Ihr Fußballhasser seid keine geistig-seelische Elite. Ihr mögt einfach bloß etwas nicht, was ein Großteil der Menschheit mag. Und damit könnt ihr offenbar nicht umgehen.

 

 

 

 

 

 

 

Transatlantische Duelle – Donnerstag, 26. Juni 2014

Meine Damen und Herren,

wenn man der Prematch-Raserei einiger Amerikaner trauen darf, dann beginnt heute der Endkampf gegen die bösen Deutschen (angeführt von Jürgen Klinsmann). Aber wer kann es ihnen verübeln, wenn man bedenkt, dass die bisherigen Pep Talks sich auf inspirierende Slogans wie I believe that we will win beschränkten?

In Deutschland herrscht unterdessen immer noch gleichmütige Ruhe. Sei es Selbstsicherheit, sei es Überdruss, bisher will niemand zu viel Emotionen in diese WM investieren. Und wer kann es uns verübeln, wenn man bedenkt, wie die europäischen Topteams bisher abgeschnitten haben?

Was erwartet uns heute also? Beamtenmikado? Das doppelte Chelsea? Oder werden Jogi und Klinsmann darauf verzichten, das Stadion in einen Busbahnhof zu verwandeln und tatsächlich Fußball spielen?

Man wird sehen. Aber ich muss mir doch die Anmerkung gestatten, dass es ein erheblich günstigerer Zeitpunkt für eine deutsch-amerikanische Freundschaft als für aufgewärmte Weltkriegsgefühle wäre. Ein 0-0 würde ja schließlich reichen.

 

Symbolisch – Freitag, 13. Juni 2014

Das erste Tor der WM ist ein Eigentor von Brasilien.

Eine Metapher?

Wahltag – Sonntag, 25. Mai 2014

Man spricht ja nicht umsonst von der Qual der Wahl. Das kann damit anfangen, dass man sich eine Stunde vor Schließen der Wahllokale immer noch politisch heimatlos fühlt. Weiter geht es damit, dass man sich fragt, ob einem jetzt unterstellt wird, dass man den Rock wegen der Wahl angezogen hat und nicht wegen des schönen Wetters. Man will sich ja nicht vorkommen wie der naiv unverbitterte Kleinbürger, der sich wichtig genommen fühlt. Womöglich sogar Respekt vor dem Vorgang hat, seinen Stimmzettel in eine gelbe Mülltonne zu werfen. Peinlich.

Dann das Problem, in seine alte Grundschule zu gehen. Flashbacks von Tränen, Angst, zeternden Lehrerinnen und dem wöchentlichen Misserfolg im Handarbeitsunterricht. Unschön. Als nächstes muss man seinen Raum finden. Und dann der Albtraum jedes halbscharigen Sozialphobikers: Ganz allein im Zimmer mit fünf Wahlhelfern. Und dem Tweet, der einem seit fünf Stunden zwanghaft im Kopf klebt: „Ich hab mich grad bei den Wahlhelfern bedankt. Und ihr so?“

Nein, ich bin ein asoziales Miststück. Ich nehme nur verlegen grinsend meine Unterlagen entgegen, verkrieche mich dankbar in der sogenannten Wahlkabine und mache mit schlechtem Gewissen mein Kreuz. Ich reiche den Wahlhelfern meine Benachrichtigung, zucke zusammen, als sie meinen Namen sagen – dürfen die das? Dürfen die wissen, dass ich hier bin? – und lasse bedeutungsschwanger meinen Stimmzettel in die Tonne plumpsen. Glücklicherweise ohne Verheddern und Pannen. Ich verlasse die Schule, von der Zwangsvorstellung gequält, auf meinem Gesicht könnte sich irgendeine Form von selbstzufriedenem Pathos abzeichnen. Dann, pünktlich zur ersten Hochrechnung, kommt mir die Erkenntnis.

Eine Wahl ist eigentlich nur eine Wette, in der es darum geht, ob man die nächsten paar Jahre motzen darf oder selbst schuld ist. Ich hoffe, ich habe richtig gewählt.

Konspirative Call Center – Mittwoch, 12. März 2014

Vor zwölf Jahren galt ich als paranoid. Damals habe ich allen erzählt, dass die Geheimdienste der USA garantiert alle unsere Telefone abhören, aber niemand wollte mir glauben. Nun, heute könnte ich natürlich selbstgerechterweise erklären, ich hätte es ja immer gesagt, aber mittlerweile sehe ich das alles etwas gelassener, wie sich an diesem Gespräch zeigt, das ich gestern (per Telefon) mit der Mitbegründerin meines Blogbüros geführt habe. Wir schwelgten gerade in den Erinnerungen an unsere wilde Jugendzeit, als:

Ich: „Und dann war da dieser transsexuelle Gehirnchirurg, der xy Drogen andrehen wollte…Mist, jetzt habe ich „Drogen“ gesagt, gleich treten die Bullen die Tür ein!“

MBMBB: „Sag mal – wenn die NSA wirklich alle Gespräche überall auf der Welt abhört, wie viele Leute würde sie denn dafür brauchen?“

Ich: „Ziemlich genau 3,5 Milliarden.“

MBMBB: „Aber sag mal – sie bräuchte ja auch Leute, die alle Sprachen sprechen, die es auf der Welt gibt! Glaubst du wirklich, die USA geben so viele Green Cards aus?“

Ich: „Naja, die Leute müssen ja nicht alle in die USA einreisen! Wahrscheinlich sind sie…“

MBMBB: „Genau. Wahrscheinlich sitzen sie alle in riesigen Call Centern in Indien. Die sind bloß Tarnung!“

Das ist für sich schon eine großartige Theorie, aber natürlich schafften wir es, noch eins draufzusetzen.

Ich: „Es kommt aber noch schlimmer: In Wirklichkeit gibt es gar nicht bloß sieben, sondern 10,5 Milliarden Menschen!“

MBMBB: „Und die sitzen alle in Call Centern in Indien.“

Das mit den Call Centern ist ja alles schön und gut. Was mich aber viel mehr interessiert, ist die grundlegende Abhör-Strategie. Spielt die NSA auf Zone oder auf Manndeckung?

 

Statistik als Inneneinrichtung. Warum ich „In-Den-Raum-Steller“ nicht mag – Samstag, 22. Februar 2014

Rhetorische Finten in Online-Diskussionen, über die ich mich regelmäßig aufregen muss. Diese Woche: „Ich stell das jetzt einfach mal so in den Raum.“

Typische Post: „Statistisch gesehen gibt es ja in lesbischen Beziehungen mehr Gewalt als in allen anderen. Ich will damit gar nichts Spezielles sagen, ich stell das jetzt einfach mal so in den Raum.“

Nee, is klar! Natürlich meinst du damit überhaupt nichts, und du glaubst auch keineswegs, dass es irgendwas mit dem Thema zu tun hat, über das wir gerade diskutieren! Spammst du Diskussionen immer mit irrelevanten Aussagen zu, oder nur dann, wenn du eine Meinung äußern willst, aber nicht den Mumm hast, dafür geradezustehen?

Ziel dieser Post ist ganz klar, die Meinungen der anderen Diskussionsteilnehmer zu beeinflussen, ohne die eigene Ansicht verteidigen zu müssen. Selbstverständlich zieht der Ersteller dieser Post gewisse Schlussfolgerungen aus seiner Statistik, aber die will er nicht offenlegen. Die anderen sollen selbst darauf kommen, damit er dann immer sagen kann: „Aber ICH habe das nie behauptet!“ Würde man ihn – beispielsweise als lesbische Frau – für seine Andeutungen direkt angreifen, könnte er ohne jede Schwierigkeit auf eine der folgenden Floskeln ausweichen:

  • „Das hab ich doch gar nicht gesagt.“
  • „Ich hab bloß die Fakten genannt, aber Feministinnen haben ja gerne mal ein Problem mit der Wahrheit.“
  • „Das steht nirgendwo in meiner Post. Vielleicht liest du es da ja nur hinein, weil du irgendwo tief drinnen weißt, dass es die Wahrheit ist.“
  • „Getroffene Hunde bellen.“

Dieses Muster kann man problemlos auf andere Themen und gesellschaftliche Gruppen übertragen. Es ist immer das gleiche.

Schritt 1: Nenne eine wissenschaftliche Erkenntnis, die geeignet ist, dein liebstes Vorurteil zu untermauern, bzw. deine Abneigung gegen eine bestimmte Gruppe zu rationalisieren.

Schritt 2: Erkläre, dass du als anständiger Mensch daraus überhaupt keine Schlussfolgerungen ziehst, sondern dieses Faktum lediglich aus Liebe zur Wissenschaft gepostet hast.

Schritt 3: Wenn man dich mit den heimlichen Schlussfolgerungen, die du natürlich sehr wohl hegst, konfrontiert, dann wasche deine Hände in Unschuld.

Schritt 4: Suche öffentlich eine Erklärung dafür, warum dein Gegner dir etwas unterstellt, was du doch nie behauptet hast. Idealerweise stellt diese Erklärung den Gegner als dumm, irrational oder hysterisch hin. Ihm Böswilligkeit zu unterstellen, kann als erster Schritt zu drastisch sein und deine Glaubwürdigkeit senken. Ansonsten gilt aber: Je ehrrühriger, desto besser. Wichtig ist, dass du diese Erklärung entweder im väterlich-besorgten Tonfall abgibst, oder dich mit gespielter Verzweiflung fragst, warum manche Menschen einfach nicht lesen können.

Schritt 5: Reagiert dein Gegner darauf mit Zorn, dann hast du gewonnen. Dadurch bestätigt er nämlich deine Behauptung, er sei hysterisch/irrational/unfähig, die Wahrheit zu ertragen. Aber auch, wenn er sich sarkastisch einlässt, dir seine Verachtung kundtut oder dir die Fähigkeit, eine ernsthafte Diskussion zu führen, abspricht, musst du dir keine Sorgen machen. Da die anderen Leser wissen, wie beleidigend deine Bemerkung war, können sie gar nicht anders, als die Reaktion deines Gegners als Wut zu interpretieren. (Ausnahme: Du hast jemanden angegriffen, der in der Forenhierarchie ziemlich hoch steht.)

Im Grunde ermöglicht diese Masche einem, die Meinung anderer Forenleser auf noch viel drastischere Weise zu beeinflussen: Nicht nur sollen sie zu den Schlussfolgerungen kommen, die der Ersteller der Post nicht öffentlich zu äußern wagt; bösartige Andeutungen, deren Bösartigkeit nicht bewiesen werden kann, provozieren auch hilflos-wütende Reaktionen von der angegriffenen Gruppe. Dadurch bestätigt sie zumindest scheinbar das Bild, für das man mit der Statistik/Behauptung in der ursprünglichen Post den Grundstein gelegt hat. Das ist möglicherweise sogar wirksamer als eine bösartige Interpretation der Statistik für sich.

Wenn ich ein Mod wäre, würde ich mal die Probe aufs Exempel machen. Auf jede Post, die mit den Worten „ich stell das einfach nur mal so in den Raum“ endet, würde ich antworten: „Wenn du uns damit gar nichts sagen willst und auch keinen Bezug zur aktuellen Diskussion siehst, dann kann ich das ja als offtopic löschen. Einverstanden?“

Würden ja sehen, wie viele von den In-Den-Raum-Stellern wirklich völlig absichtslos die Statistik des Tages präsentieren wollten, und wie viele plötzlich aufschreien, dass das ein ungeheuerlicher und durch nichts zu rechtfertigender Eingriff in die Meinungsfreiheit sei. Wieso Meinungfreiheit? Ich dachte, ihr meint überhaupt nix…

 

Busted. – Dienstag, 24. September 2013

Ich gebe auf. Es ist sinnlos. Mir fällt einfach nichts ein. Nicht mal eine Ausrede.

Doch, vielleicht schon.

Ich habe schwere Post-Wahl-Depressionen.

Das ist allemal ein Grund, nicht bloggen zu können.

Ich geh jetzt mal zum Fußball….

….VERDAMMT, VERRATEN!!!

Eine schlimme Diagnose – Montag, 23. September 2013

Ich würde ja eine Theorie über das gestrige Wahlergebnis schreiben, aber die einzige vernünftige Erklärung lautet, dass Bayern Restdeutschland annektiert hat und das ist in einem Satz gesagt. Ich kann jetzt auch leider nicht plötzlich so tun, als hätte ich irgendetwas unternommen, um dieses Ergebnis abzuwenden. Das ändert nichts daran, dass es mich außerordentlich verstört.

Auf den ersten Blick. Vielleicht lässt sich doch noch ein Fünkchen Optimismus aus diesem Ergebnis herausschlagen?

Es ist nicht angenehm, dass gut die Hälfte der Wähler konservativ abgestimmt hat. Beruhigend ist aber, dass so überwältigend viele  Konservative noch immer die Union der AfD vorziehen.

Es ist nicht angenehm, dass die SPD fast zwanzig Prozentpunkte weniger hat als die Union. Beruhigend ist aber, dass das daran liegt, dass die linken Wähler gleich zwischen drei linken Parlamentsparteien wählen können.

Es ist nicht angenehm, dass ich mich auf einmal auf die Seite meines linksbürgerlichen Herkunftsmilieus stellen muss, anstatt es zynisch zu zersetzen. Es ist auch der einzige Punkt, an dem ich nichts Beruhigendes finden kann. Im Gegenteil. Wenn Carmine anfängt, irgendetwas ernst zu meinen, dann müssen schwerwiegende Dinge passiert sein.