Theorie des Tages

Kategorie: Sprache

Müdigkeit – Montag, 22. Dezember 2014

Schockmüdigkeit. Schreibmüdigkeit. Verstörender-Tag-Müdigkeit. Augenmüdigkeit. Kopfmüdigkeit. Traurige Müdigkeit, Müde Melancholie. Krisenmüdigkeit. Hysterische Müdigkeit. Post-Nervenzusammenbruchs-Müdigkeit. Lernmüdigkeit. Angstmüdigkeit. Müdigkeit als Übersprungshandlung. Teemüdigkeit. Behagliche Müdigkeit. Verweinte Müdigkeit. Rechtschaffen müde. Körperliche Müdigkeit. Seelische Müdigkeit. Gemeinsame Müdigkeit. Einsame Müdigkeit. Erkältungsmüdigkeit. Post-Erkältungsmüdigkeit. 31 Wörter für Schnee.

Hoffnungslose Fehlinterpretationen von Fachbegriffen – Dienstag, 09. Dezember 2014

Oder, einfacher ausgedrückt: XYZ könnte auch heißen….

  • Mannose ist: Ein Zuckermolekül. Könnte auch sein: Die chronisch-degenerative Krankheit, ein Mann zu sein.
  • Prolin ist: Eine Aminosäure. Könnte auch sein: Ein spezielle Droge aus 1984, die ausschließlich für die Proles designed wurde.
  • CREB ist: Ein Transkriptionsfaktor. Könnte auch sein: Neue Rechtschreibung für eine französische Spezialität, Jahr 2025.

Wie die Technik unsere Sprache verändert – Sonntag, 26. Oktober 2014

Unerreichbar

Früher: Superattraktiv.

Heute: Total unattraktiv.

to chat:

Früher: Jemanden treffen.

Heute: Jemanden nicht treffen.

Surfer:

Früher: Braungebrannter, sportlicher Typ

Heute: Bleichgesichtiger, pickeliger Nerd

PWP:

Früher: Porno mit Handlung

Heute: Porno ohne Handlung

Deprimierende Sätze über das Leben – Dienstag, 23. September 2014

  • Wenn man nicht das Richtige isst, dann gibt es keine Stufe zwischen Hunger und Übelkeit.
  • Wer sich Sorgen um sein Aussehen macht, hat schon verloren. Wer hässlich ist, auch.
  • Andere zu belügen ist gemein. Authentisch zu sein auch.
  • Wer so gemocht wird, wie er ist, ist zum Stillstand verurteilt. Wer nicht so gemocht wird, wie er ist, wird nicht gemocht.

Wenig hilfreiche Hilfestellungen – 18. September 2014

Schüchterne Menschen machen sich ja angeblich viel zu viele Gedanken darüber, was man über sie denken könnte. Sie vermeiden es, andere anzusprechen, weil sie Angst haben, dass diese sie für unmöglich halten werden, das kann man in jedem Buch nachlesen. Nun, ich als Mensch, der allgemein als schüchtern gilt, möchte diese Behauptung aus der Autorität der Betroffenen heraus korrigieren: Ich habe keine Angst, dass andere mich für unmöglich halten, ich habe Angst, tatsächlich unmöglich zu sein. Angst davor, dass jemand etwas über mich denken könnte, was nicht zutrifft, hätte ich nur dann, wenn es grob rufschädigend wäre. Insofern fürchte ich allenfalls, dass meine reale Unmöglichkeit bemerkt werden könnte.

Dieses aber nur als Einstieg, denn Bücher zum Thema Schüchternheit weisen noch erheblich größeren Korrekturbedarf auf. So wartete eines, das ich vor kurzem gelesen habe, mit allerlei Hinweisen dazu auf, wie man sich in verschiedenen sozialen Situationen, also Bewerbungsgesprächen, Flirts und im Umgang mit Autoritätspersonen verhalten sollte. Das war gleich aus drei Gründen lustig. Erstens hatte der Autor selbst kurz zuvor erwähnt, dass schüchterne Menschen sich oft überkorrekt verhalten und sich maßlos auf jede soziale Herausforderung vorbereiten. Vermutlich haben sie die themenspezifischen Ratgeber, aus denen er seine Tipps abgeschrieben hat, also längst in alphabetischer Reihenfolge im Regal stehen. Zweitens erwähnt der Autor mehrfach, wie empfindlich Schüchterne auf Kritik reagieren. Was meint er also, wie es dem betroffenen Leser gehen wird, wenn der allwissende (oder zumindest sicher in jeder relevanten Hinsicht überlegene) Onkel Psychiater meint, ihm die grundlegendsten Verhaltensregeln nahebringen zu müssen? Ich kann es ihm sagen: Es löst ein mittelschweren psychoseähnlichen Schub aus, währenddessen der Betroffene glaubt, er hätte immer nur geglaubt, die sozialen Regeln zu befolgen, in Wirklichkeit wisse er aber überhaupt nicht, wie man sich benimmt, verhalte sich völlig bizarr und die Gesellschaft toleriere ihn lediglich als bedauernswerte Randerscheinung. Und drittens beklagte der Autor an späterer Stelle, eine negative Eigenschaft schüchterner Menschen sei, dass sie zu sehr auf sich selbst und ihre eigene Performance achten, anstatt den anderen Menschen und dessen Bedürfnisse wahrzunehmen. Mit seinen Tipps leitet er sie dazu an, genau das weiterhin zu tun, bloß besser. Und wo wir gerade beim Thema Flirttipps wären: Der Autor ist ein Anhänger der Marktwerttheorie. Das ist natürlich sehr tröstlich für Schüchterne, die ja sowieso schon glauben, dass alle sie ständig bewerten und potentielle Partner die Menschenfreundlichkeit eines sadistischen Personalers mit Burnout besitzen. Es lässt sich auch wunderbar mit der auf dem Fuß folgenden Aufforderung vereinbaren, seine Mitmenschen als freundlich gesinnt wahrzunehmen und ihnen gegenüber positive Gefühle zu entwickeln.

Es ist nicht leicht für mich, diese Kritik zu schreiben, denn es heißt ja, jemandem auf die Füße zu treten, der mir eigentlich helfen wollte. Das ist etwas, was man als schüchterner Mensch tunlichst vermeiden möchte. Aber es sind, wie man auf amazon unschwer erkennen kann, schon zu viele positive Rezensionen auf diese Weise zustande gekommen. Irgendjemand muss sich ja mal trauen zu nörgeln.

Zyniklopädie der Lebenshilfe, auf ein Neues – Donnerstag, 11. September 2014

Selbstliebe, die: 1) Siehe frühere Definitionen. 2) Der Versuch, sich selbst etwas zu geben, was man von anderen nicht bekommen kann.

Lebensqualität, die: Etwas ähnliches wie subatomare Partikel: Man kann sie entweder empfinden, oder aber messen, aber nicht beides gleichzeitig.

Mit all seinen Schwächen und Macken geliebt werden: Andere nehmen deine Schwächen und Macken wahr.

Zyniklopädie der Lebenshilfe, vielleicht Teil 6 – Samstag, 06. September 2014

Selbstliebe, die: 1) Kuscheliger Begriff für den Vorgang, sich selbst zu seinem eigenen Besten zu Dingen zu zwingen, die angeblich gut für einen sind. 2) Forderung, dabei auch noch glücklich zu sein.

Genussfähigkeit ausbauen: 1) Ausweitung des Leistungsdrucks in den Privatbereich. 2) Verzweifelter Versuch, sich davon zu überzeugen, dass rohe Biomöhren gut schmecken.

Sich selbst gönnen, glücklich zu sein: Kleine Schwester der Idee, dass jegliches Unglück nur deshalb in unser Leben tritt, weil wir es aufgrund eines tiefsitzenden Selbsthasses absichtlich herbeigeführt haben.

 

 

Zyniklopädie der Reifeziele – Montag, 11. August 2014

Lernen, Ungerechtigkeiten zu ertragen: Bedeutet nicht etwa, ab sofort einfach alles zu schlucken. Bedeutet, ab sofort alles zu schlucken und sich dabei gut zu fühlen.

Die eigene Begrenztheit erkennen: Catch-22. Alternativ: In den Spiegel schauen, ohne eine Depression zu entwickeln.

Sich selbst annehmen: Sich selbst dafür auf die Schulter klopfen, dass man mal wieder die Studiengebühren zu spät überwiesen hat.

Entwicklungsschritte nachholen:
Ein bisschen weniger peinlich werden.

Nasskalte Geschichten – Dienstag, 05. August 2014

Zwar darf man Romane bekanntlich unter keinen Umständen mit dem Wetter beginnen, dafür ist es aber vollkommen legitim, Krimis mit poetisch verbrämten Wetterbeschreibungen zu betiteln. Nehme ich das aktuelle Wetter zum Vorbild, dann müsste der entsprechende Titel lauten:

Hochsommerkälte

Hochsommerkälte, wollen mal sehen. Skandinavisch, definitiv skandinavisch. Vermutlich Schweden, eventuell Norwegen, wenn es sehr experimentell ist, dann auch Island. Eine junge, hellblonde Frau wird tot aufgefunden. Sie ist sehr bleich. (Jetzt wissen wir auch, was aufs Cover kommt.) Die Geschichte dahinter? Viel Irrelevanz gemischt mit etwas Sex und Entfremdung. Wichtig ist einzig und allein, dass der Mord sehr betrübliche Dinge über den Zustand unserer (also in diesem Fall der schwedischen) Gesellschaft aussagt. So betrübliche, dass einem darüber mitten im Sommer sehr kalt werden kann.

Das ist alles sehr klassisch, versuchen wir es einmal anders:

Sommergewitter

Ah, ja! Leicht komödiantisch angehauchter Provinzkrimi. Am Anfang ist alles supi, am Ende ist auch alles supi, bloß zwischendrin passiert dummerweise ein Mord und zeitweilig ist alles etwas chaotisch. Aber zum Glück kann der Kommissar noch rechtzeitig in seinen Familienurlaub aufbrechen. Das ist gut, denn Kati (die Lebensgefährtin) droht bereits, mit ihrem Exfreund zu verreisen. Schade, dass man dem nichts anhängen kann!

Der Herbst kam zu früh

Die an der Schwelle zur Pubertät stehende Lena soll ab September ins Internat gehen. Am Anfang der Sommerferien wird sie jedoch ermordet. Darauf wird den ganzen Roman über herumgeritten. Dass sie aber doch ins Internat gekommen wäre. Am 31. August erfährt man, dass der Vater der Täter ist. Er konnte die Vorstellung nicht ertragen, dass aus seinem kleinen Mädchen eine Frau wird und weg geht. Dafür war es einfach noch zu früh, verstehen Sie? Die Kommissarin nickt und führt ihn ab, während die Ehefrau einen Nervenzusammenbruch erleidet. Geschieht ihr aber recht, denn sie hätte ja merken müssen, dass da irgendetwas nicht stimmt zwischen Vater und Tochter.

Zankberatung – Sonntag, 27. Juli 2014

Über das Anwendungsspektrum des Mantras Show, don´t tell! wird ja immer wieder erbittert gestritten – in einer Situation aber gilt es zu hundert Prozent: Erzähl nie jemandem, er sei dir egal, denn damit widerlegst du dich gnadenlos selbst.

Das wirklich Traurige an den meisten Internetdiskussionen ist gar nicht, dass sie so erbittert, sondern dass sie von absoluten Anfängern geführt werden.